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Brief Prof. H. Tietmeyer

Offener Brief an den früheren Bundesbankpräsidenten Prof. H. Tietmeyer

im November 2001

Sehr geehrter Herr Professor Tietmeyer,

"Deshalb können wir nicht nachvollziehen, daß Sie mögliche Erkenntnisquellen nicht zur Kenntnis nehmen wollen" und "Können Sie ausschließen, daß eine derartige Einflußnahme bei der Besetzung des Präsidentenposten der Bundesbank stattgefunden hat?" (1997). Da Sie sich zu diesen Themen nicht geäußert haben, müssen wir davon ausgehen, daß die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und "Währungsgewalt" jedenfalls bereits bei Ihrer Bestellung zum Bundesbankpräsidenten aufgehoben war. Die gesetzlich vorgesehene (Weisungs)Unabhängigkeit der Bundesbank und die Beratungsaufgabe in Währungsfragen waren folgerichtig zu einer Fassade reduziert worden. Entsprechend haben Sie zu keinem Zeitpunkt als Bundesbankpräsident eine erkennbare Entscheidungshilfe bezüglich der Währungsunion erarbeitet oder erarbeiten lassen, wie sie die verfassungsmäßige Ordnung fordert, von einer kritischen Analyse der politischen Vorhaben ganz abgesehen.

Haben Sie nicht mit all dem wesentlich zur nachhaltigen Umwandlung der persönlichen Verantwortung in die kollektive Nichtverantwortung beigetragen? Und haben Sie nicht mit Ihrer Zustimmung zum Entzug von Zuständigkeit und Verantwortung für gesetzlich definierte Aufgaben der Bundesbank durch den Bundeskanzler den von "oben" nach "unten" bereits angelegten Konflikt zwischen der Loyalität zum Gemeinwohl und der Loyalität zu Partikularinteressen von Institution und Entscheidungsträgern bestätigt und weiter "ausgebaut"? Bleibt dabei das Gemeinwohl nicht gewöhnlich auf der Strecke, Innovation und Motivation werden nicht gefördert, sondern durch Denkverbote und Tabus behindert? Verwundert es da, daß Analysen schlimmes befürchten lassen? Zeigen nicht die 4 Euro-Kläger, "warum die Einheitswährung schon bald zum Sprengsatz für Europa werden kann - mit fatalen Folgen für uns alle"?

"Da müßte man eigentlich, wenn man denn wirklich überzeugt ist, daß der Euro überwiegend Vorteile bringt, diese Vorteile stark in den Vordergrund stellen, sie argumentativ und nicht nur in der Art der Zahnpastareklame verfechten ... Aber was geschieht? ...die ungehemmte Bereitschaft ringsumher und gerade auch in Deutschland, zu allen möglichen Tricks, Schummeleien, ja Betrügereien Zuflucht zu nehmen. .. Die Neue Zürcher Zeitung schreibt spöttisch: >Man wäre kaum noch erstaunt, wenn die Regierung vorschlüge den Erholungswert des deutschen Waldes zu aktivieren und dann zur Entlastung des Haushalts an eine staatsnahe Zwischenholding zu verkaufen>" (MEYER, CH.: Wer hat die besten Jahre noch vor sich?).

Kritische Analysen, die hier beispielhaft dargestellte fachliche Positionen aufgenommen und einen alternativen Zeitplan für die Euro-Einführung hätten ergeben können, (er)kennen wir nicht, gerade bei Ihnen nicht: So glauben Sie nicht, "daß es noch einen Weg zurück gibt" (HANDELSBLATT, 8.10.01). "Und nur so" - nämlich mit dem jetzigen Zeitplan - "erreichen wir wirklich soziale Gerechtigkeit" (Einladung zu "Moderner Staat - Schlanker Staat", 9/01), "Wir wollen die Marktwirtschaft erneuern" (FAS 9/01), "Wir müssen das Leistungsdenken weiterentwickeln" (FAS 11/01): Haben diese Bemühungen ein anderes Ziel als den status quo zu sichern, so daß Entscheidungsträger, die sich bisher ihrer persönlichen Verantwortung verweigern, das auch weiterhin können?

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Hill Reinhard Adelhelm

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